| Lesealter: ab 8 Jahre |
Faulheit. Manchmal darf man sich ein bisschen Faulheit gönnen. Auch beim Sprechen:
»Guten Morgen mein Schatz! Hast du schön geschlafen?« Dazu aufgerupfte Gardinen. Augen. Rollos.
»Schwarnososöntabai …«
Aber das kann auch schnell kompliziert werden, wenn wir manchmal ständig Wörter fortlassen oder immer meistens das selbe Wort für Vieles nehmen.
Fragt mein werter Sohn neulich am Küchentisch: »Kann ich mal den Saft?«
Also ich bin ja eigentlich kein Sprachpolizist, aber da ging mir doch die Hutschnur – »Tust du mal nen ordentlichen Satz draus machen! Da fehlt ein Verb!«
»Ein was?«
»Ein … ein Tuwort.«
»Achso. Haben.« Und dann hat er so gemacht, wie man mit dem Gesicht macht, wenn man was Spitzbübisches macht, der Sohnemann.
Tuwort … Wer sich das ausgedacht haben tut, dass Kinder das so in der Schule beigebracht bekommen. Verbrecher! Aber tu dir keine Sorgen machen, das tut nix, sie lernen’s schon irgendwann richtig.
Na ich tu’s hoffen.
Grundsätzlich ist aber Machen & Tun ungefähr genau das, was Menschen am trefflichsten beschreibt, wenn sie so Menschsein tun. Es sind Macher (Tuer tut’s hingegen nicht geben). Die Menschen – also wir – tun doch die ganze Zeit unser Getue und Gemache zu tun haben: Wir müssen noch Zahnpasta und Müllbeutel (30 Liter) aus der Drogerie holen. Wir wollen Trompete üben und uns ein Abschiedsgeschenk für Hortnerin Kerstin ausdenken. Die tut jetzt ein Sabbatjahr machen, also ein Jahr Erholung vom beruflichen Tun. Mal was anderes tun. Das ist besser als zu viel tun … Aber zu tun haben ganz allgemein, das tun wir schon immer irgendwie wollen. Wir spielen, wir tun Wälder roden, wir toben durch Erholungsgebiete, wir lieben und sehnen uns nach Taten. Wir machen einen Turm aus Holzbausteinen und tun ihn dann mit nem Flummi wieder kaputtmachen. Und wenn sich mal nichts tut, tun wir betulich tun, machen wir uns Gedanken, und dann geht’s ans Eingemachte. Wir Menschen verändern, gestalten, probieren, entdecken und tun eben immerzu sein. Schon wenn ich aufstehe, tue ich entdecken, dass ich heute krass viel vorhaben tue und viel zu spät aufstehen tat, um das alles zu machen.
Und wenn man faul sein tut? Was tun wir da machen? Richtig: nie nichts. Wir machen Beobachtungen, aus dem Küchenfenster, in den Ritzen hinter der Schrankwand. Oder wir tun uns unterhalten oder einen Film gucken. Du tust vielleicht die Augen schließen und dir nichts machen aus dem Strom der Gedanken. Dafür tust du den eigenen Schluckgeräuschen lauschen, mit der hohlen Hand am Ohr dem Rauschen deines Blutes. Immer tun wir etwas machen, solang wir bei Bewusstsein sind. – Gute Ausrede, wenn wieder einer meinen tut, wir tun faul sein. (Bei Erwachsenen tut das häufig das eigene Gewissen meinen.)
Okay, schlafen täte vielleicht als Nichtstun zählen. Doch genau genommen tun wir da träumen, mit diversen Zutaten, und tun im Traum allerhand machen – oder tun allerhand mit uns machen lassen, dies allerdings ohne unser Zutun. Es tut sogar Leute geben, die tunlichst versuchen, nichts zu tun, weil alles Machen, alles Handeln der Ursprung des Leides in der Welt sein tut. Nicht auf ne Ameise treten tun, kein Spinnennetz anatmen, niemandem Vorwürfe und sich selbst keine Hoffnungen machen tun … Tu ich mir anstrengend vorstellen.
Doch tutsächlich: Manchmal tun wir uns nichts gutes tun. Wir sind lauter und lautere Tunichtgute. Oft genug tut’s Streit und böses Blut geben tun, zwischen Regierungen, Geschwistern und Quantenphysikern. Ich könnte dich jetzt zum Beispiel anmachen tun. Ja, genau dich, du frechdachsig geraten sein tuender Sohnemann! Oder dich, du fauler Leser, der du von Tuten und Blasen keine Ahnung haben tust! Du könntest im Gegenzug mein Machwerk hier als ungemachtes Getue abtun. Wiebitte?! Da tät ich dir doch gar zu gern den Garaus machen tun! Nicht auszumachen, täte ich eine Erfindung machen tun, wie das mit bloßen Buchstaben zu machen sein täte – zauberische Machenschaften …
Ich tu’s nicht können, ein Glück. Ich kann nur so tun. Doch tun wir uns das antun wollen tun? Schon die Macht, etwas zu tun, tut die Macher blind machen für das, was sie da durch ihr Tun machen tun. Wenn wir’s uns miteinander nicht vertun tun wollen, sollten wir uns um ein anderes Vermächtnis bemühen tun. Du und ich, wir Menschen.
Übrigens, ein Wort, mit dem man ›tun‹ ersetzen tun kann, tut ›machen‹ sein. Allerdings tun wir auf diese Weise nur eine Faulheit mit der nächsten vertauschen tun. Zu ›tun‹ tut man auch ›setzen, stellen, legen‹ oder ›eine Tätigkeit verrichten‹ sagen tun können. Hin und wieder tut sich auch ›etwas ereignen‹ tun. Zu ›machen‹ tun wir vielleicht ›erzeugen, hervorbringen, ausführen‹ sagen mögen tun, oder ›gestalten, verursachen, bewirken‹, je nachdem. Für jedes Tuwort (und andere Wörter auch) tun wir andere finden tun können. Schönere, seltenere, spannendere, genauere. Die einen tun genau sein, weil sie sagen tun, was in der Mache ist:
»Bitte entschuldige den Streit eben. Eigentlich kann ich dich ganz gut riechen.«
Andere tun genau so klingen tun wie das, was da tuend Geräusche macht:
»Sorry wegen des Geplärres vorhin. Komm her, ich schnuppere so gern an dir!«
Die faule Variante täte sein: »Tut mir leid, ich tu dich doch gern haben. Lass uns Frieden machen.«
Während aber die Polizei darauf achten tut, dass keiner etwas macht, was verboten sein tut, tut’s doch hier darum gehen tun, dass wir machen, was erlaubt sein tut: Nämlich ein bisschen weniger faul sein tun. Gestalten, entdecken, verändern, ausprobieren, genießen und etwas mit unserer Sprache machen tun. – »Und du Tutenchamun, tu endlich aus den Bettlaken steigen und den Thunfisch mit der Tunika auf Mach 3 in die Instituts-Tuba tuten machen! Wir tun Frühstück machen wollen.«
Für Schlaumeier:
Ein Wort wie ›machen‹, so behauptet mein Buch über die Herkunft der Wörter, ist nur in westgermanischen Sprachen vertreten (etwa das englische to make) und hat eine Verwandtschaft zum altgriechischen Wort für ›kneten, zubereiten‹ mássein bzw. máttein (μάσσειν/μάττειν), womit wirklich auch Kuchen gemeint war. Ob die alten Westgermanen nicht so die Kuchenfans waren, sei dahingestellt, doch mein schlaues Buch meint, bei ihnen sei das Matschen und Häuslebauen mit Lehm viel wichtiger gewesen, wo schließlich auch geknetet, geformt und zusammengefügt werden durfte. Aus dieser ursprünglichen Bedeutung habe sich dann die allgemeinere Verwendung von ›machen‹ entwickelt.
›Tun‹ (englisch to do) dagegen hat viele Verwandte in vielen Sprachen, von Indien über Litauen bis Irland. Die Griechen sagten seinerzeit tithénai (τιθέναι), was ja, wie ich finde, sehr viel schöner klingt als bloßes polterndes ›Tun‹:
»Und du Tithenchamunai, tithenai endlich den Tithenaifisch mit der Tithenika in die Institithenais-Tithena tithenai massein!«
Sohn: „Kann ich mal den Saft?“
Vater: »Tust du mal nen ordentlichen Satz draus machen! Da fehlt ein Verb!«
Sohn: „Hä? ‚Kann‘ ist doch ein Verb!“
Vater: „Ich mein das Prädikat!“
Sohn: „Quatsch! ‚Kann‘ ist doch schon Prädikat, ist ja schließlich gebeugt.“
Vater: „Konjugiert! Das heißt konjugiert!“
Sohn: „Und wenn schon.“
Vater: „Dein Prädikat ist nicht vollständig…“
Sohn: „KANN ich mal aufs Klo?“
Vater: „Gleich. Wie gesagt, es ist nicht vollständig. ‚Können‘ kann nämlich ein Modalverb sein, so wie ‚müssen‘ oder ‚dürfen’…“
Sohn: „Aber ich MUSS mal!“
Vater: „…und dann erfordert immer den Infinitiv eines Vollverbs.“
Sohn: „KANN ich jetzt aufs Klo? Ich MUSS nämlich mal“
Vater: „Du musst nicht fragen, du bist ja nicht in der Schule.“