Sasse

| Lesealter: ab 9 Jahre |

Trudi Hasenfratz hat heute ein Vorsingen bei der Musikschule. Wenn alles gutgeht, darf sie Unterricht nehmen und sogar im Chor mitsingen. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch, wo die tiefstehende Herbstsonne durchs Fenster blinzelt, und blättert ziellos durch die Was-ist-Was-Bände, die bald zurück in die Bibliothek müssen.
Da steckt Papa den Kopf ins Zimmer: »Trudi, wir müssen los! Jetzt komm endlich aus der Sasse!«
»Was soll denn das sein«, fragt Trudi, »aus der Sasse kommen?«
»Du sollst dich beeilen«, ruft Papa, schon wieder im Flur, und klingelt mit dem Schlüsselbund. »Aus dem Knick kommen.«
Trudi stellt sich einen Gartenschlauch mit Knick vor.
»Komm in die Gänge, komm zu Potte, komm aus dem Quark, Trudi«, macht Papa weiter. »Jetzt käs dich endlich aus, Liebes.«
Wow, denkt Trudi, wahrscheinlich war Papa als Dreikäsehoch auch ein Bummelant, dass er so viele Ausdrücke dafür kennt.
»Haben Oma und Opa das auch immer zu dir gesagt?« ruft sie zurück.
»Hm? Klar, gut möglich«, antwortet Papa. »Aber nun komm mal in die Puschen!«
Trudi schaut an sich herunter: Alles klar!
»So geht das doch nicht, Schatz.« Papa rollt mit Augen, als Trudi in ihren Häschen-Hausschuhen im Flur steht.

In der Musikschule singt Trudi Hasenfratz hell und klar, mit einem herzerweichenden Leuchten um die Stimme: »Häschen in der Gruuube sa-haß u-hund schlief«
Und noch einmal: »Sa-haß u-hund schlief«
Eine kleine Nachtigall ist sie. Magisch hallt ihr Lied im Raum nach und Frau Wimpernsänger, die Lehrerin, nickt ihr anerkennend zu.
Papa nimmt sie auf dem Weg nach draußen stolz an seine Hand.
»Weißt du«, sagt er, »Hasen sitzen gern in einer kleinen Kuhle im Feld, oder auf der Wiese. Das Nest, in dem sie sich im Gras aneinander kuscheln – das ist die Sasse.«
Dann steigen sie ins Auto. Als Ortsansässige müssen sie nicht weit fahren. Trudi späht durch das leichte Laubgestöber in die anderen Fahrzeuge, ob sie vielleicht ein paar der Insassen erkennt.

Am Abend drängelt sich Trudi zwischen Mama und Papa auf die Couch und schmiegt sich an sie.
»Jetzt wirst du aber aufsässig«, meint Papa und zwinkert ihr zu.
»Ach, aber ich komm doch so gern zu euch in die Sasse«, sagt Trudi und wackelt dazu lustig mit ihren Puschen.

Wort und Text: Mathias

 

Eine Antwort auf „Sasse“

  1. Ich muss gestehen, dass Sassen wohl gar nicht so gemütlich und kuschelig sind, wie es in der Geschichte klingt. Eigentlich sind es eher ungemütliche Ackerfurchen, in denen die Hasen hocken und kaum gegen Wind und Wetter geschützt sind. Die Armen!

     

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